Wenn Ihr (noch) nicht ganz "grün" mit Eurer BDSM Neigung seid, können wir gemeinsam versuchen
Das alles in einem Rahmen, in dem Euch niemand für egal was für eine sexuelle Vorliebe verurteilt. Ich nehme Eure Bedenken und Gedanken ernst und werde sie auch nicht mit einfachen Szene-Sprüchen und Lösungen wegdrücken.
Eine besondere sexuelle Vorliebe an sich selbst zu entdecken ist nicht nur spannend und erleichternd, sondern eben auch aufwühlend und schwierig. Sie verkleinert unsere Auswahl an potentiellen Partner*innen, sie schiebt uns vielleicht gesellschaftlich an den Rand, sie stört unsere vorhandene Beziehung, sie verändert unser Selbstbild. Katastrophe?
Ich glaube, dass fast alle Menschen mit einer BDSM Neigung irgendwann einmal an den Punkt gekommen sind, ihre Gelüste zu verfluchen. Dafür kann es die unterschiedlichsten Gründe geben:
Generell ist es ganz normal, dass wir an bestimmten Punkten im Leben mit uns selbst hadern. Wer findet schon alle seine Eigenschaften großartig? Nur manchmal kommen wir da allein nicht wieder heraus und sehen nur noch die "schwarze Seite" unserer Vorlieben. Weg damit!? Funktioniert meist nicht...
Ich weiß, dass das schwierig ist, wenn die eigene sexuelle Lust einem im Moment nur negativ vorkommt oder vielleicht sogar innerhalb der Beziehung abgelehnt wird. Am Ende nützt es aber nichts: Sie ist nun einmal da und auch wenn wir sie ein paar Monate, vielleicht Jahre unterdrücken können, wird sie wie ein kleiner Dämon in unserem Hinterkopf bleiben und uns in den unmöglichsten Situationen daran erinnern, was wir eigentlich wollen.
Die mittlerweile wirklich große Community von BDSM Praktizierenden und Interessierten bietet eine Menge unkomplizierter und offener Kontaktmöglichkeiten, um sich an das Thema heranzutasten mit:
Der, aus meiner Sicht, spannendste Aspekt von BDSM ist eigentlich, dass sich die eigene Sexualität und auch die Möglichkeiten der Paarsexualität unglaublich erweitern. BDSM Sexualität ist in der Regel nicht auf das Schlafzimmer begrenzt, kann sich offen oder heimlich in den Alltag mit einbeziehen lassen und spielt sich oft auch nur im Kopf ab. Diese breite Art der Sexualität kann die Libido anregen. Eine solche Beziehung, in der eine besondere Art der Sexualität geteilt wird, bleibt auf Dauer aufregend.
BDSM kann dabei helfen, sich selbst besser kennen zulernen, alte Verhaltensmuster aufzubrechen und charakterlich zu wachsen. Man verschiebt eigene Grenzen und lernt neue kennen. Viele submissive Kinkster erleben eine neue Art von Stärke. Ausgehaltenen Schmerzen, Demütigungen und andere in einer geschützten BDSM Umgebung gemeisterte Herausforderungen können dem Selbstbewusstsein auch im "echten" Leben zugutekommen.
Im BDSM Bereich ist es besonders wichtig, den (Spiel)partner*innen unsere Bedürfnisse zu kommunizieren und miteinander auszuhandeln, was passieren soll und was nicht - was noch nicht. Dazu müssen wir uns selbst sehr genau kennen lernen und uns mit unseren Bedürfnissen, Ängsten und Wünschen auseinander setzen.
Kann man die eigenen sexuellen Bedürfnisse, Wünsche und Ängste in Bezug auf BDSM ansprechen, kann das die gesamte Kommunikation in einer Beziehung auch im Bezug auf andere Bereiche verbessern.
Vor allem ein BDSM-Stammtisch bietet eine großartige Möglichkeit, Menschen aus der Szene ganz authentisch kennen zulernen.
Keine Angst, dort treffen sich nicht nur Bondagemeister, Superdoms und naturdevote, perfekte Sklaven - sondern ganz normale, nette Menschen, die alle irgendwann einmal begonnen haben, ihre Kinks und Neigungen zu erkunden und auch immer mal wieder auf das ein oder andere Problem stoßen.
Ihr werdet überrascht sein, wie viele Menschen genau die Probleme teilen, an denen Ihr selbst gerade nagt.
Achtung
vor selbsternannten Szene-Gurus (vor allem online anzutreffen), die die Weisheit mit Löffeln gefressen haben und Euch erzählen wollen, was BDSM generell - und eine oder einen guten Sub bzw. Dom/e im Speziellen - ausmacht.
Findet Menschen, die Euch gut tun und Euch nicht in Eurer Überzeugung oder in Euren Ängsten kritisieren!
Die Psychologie hat noch keine allgemein gültige Erklärung für sadomasochistische Neigungen. Man geht aber davon aus, dass die Neigung schon in der Kindheit entsteht und zur Überwindung eines Traumas oder eines seelisch unerträglichen Zustands dienen könnte: "Die Fessel fesselt ein altes Trauma oder: die Peitsche peitscht es weg" (Volkmar Sigusch: Sexualitäten, 2013, S. 368).
In vielen Foren und auch Ratgebern zu BDSM Themen wird "Ursachenforschung" häufig abgelehnt, aus Angst, BDSM als ganzes würde dadurch in eine "krankhafte Ecke" geschoben. Es ist szene-konform, Sadomasochismus als "natürlich" ohne besondere Ursachen zu betrachten - überspitzt formuliert: Wer will schon einer Szene aus "traumatisierten Perversen" angehören? Häufig kommt auch der Hinweis: Es ändere ja sowieso nichts - und das stimmt natürlich auch!
Am Ende ist es eine ganz individuelle Entscheidung, ob man sich damit beschäftigen möchte, woher die eigene sexuelle Vorliebe kommt. Es ist weder falsch, sie einfach zu nehmen, wie sie ist, noch ist es falsch ihre Ursachen zu hinterfragen. Am Ende solltet Ihr einfach mit ihr ausgesöhnt sein, ohne Euch im Hinterkopf für sie rechtfertigen oder sie unterdrücken zu müssen.
Ich denke, dass die Frage "Woher kommt diese Neigung bei mir?" etwas ganz natürliches sein kann und dann hilft nicht immer ein einfaches "Finde Dich damit ab!" Auch aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass es helfen kann, wenn man den Ursprung eigenen sexuellen Vorlieben kennt. Es hilft dabei zu akzeptieren, dass sie zur eigenen Persönlichkeit gehört, und, wie viele andere unserer Eigenschaften, irgendwann in unserem Leben geprägt wurde.
Manchmal hilft es sogar der Beziehung, weil man so der verständnisvollen (Vanilla-)Partnerin schlüssiger erklären kann, dass weder sei noch man selbst nichts dafür kann, wenn der "normale Sex" auf einmal nicht mehr so richtig funktioniert.
Lebt man BDSM aus, kann es wichtig sein, die Geschichte der eigenen Vorlieben zu kennen, um Schwierigkeiten mit speziellen sexuellen Praktiken zu erkennen, Abstürze zu vermeiden, passende (Spiel)Partner*innen zu finden, die eigenen Neigungen selbst besser zu kennen und zu kommunizieren. Dies gilt insbesondere auch für Menschen mit traumatischen Erfahrungen (Missbrauch, Vergewaltigung). Hier können bestimmte Trigger unerklärliche und heftige Reaktionen auslösen.
Susann Dietzmann
Systemische Therapeutin (SG) & Dipl.Wirt.Psychologin (Fh)
Bernhardstraße 22a
04315 Leipzig
s.dietzmann@anders-lieben.de