Viele Menschen geben den Versuch, eine polyamore Beziehung zu führen, leider schon auf, wenn sie an die ersten Schwierigkeiten geraten. Sie erklären es häufig mit (angeblich) in ihrer Person liegenden, unveränderlichen Gegebenheiten, z.B.:
Polyamorie (und auch andere alternative Beziehungsmodelle) verlangen von Dir, dass Du Dich aus Deiner Komfortzone heraus traust und Dich näher mit Deinen Glaubenssätzen beschäftigst. Also z.B.:
All das sind Themen, die in monogamen Beziehungen selten eine Rolle spielen, oder, einmal in einer bestimmten Art und Weise geklärt, nicht immer wieder aufs Neue auftauchen.
Diese manchmal sehr heftigen Emotionen können Angst machen und Flucht- bzw. Vermeidungsimpulse auslösen. Aber letztendlich wirst Du lernen mit den Dingen, die Dir im polyamoren Beziehungskontext begegnen, umzugehen, egal wie neu, furchtbar Angst einflößend, ungewohnt, unbequem oder verunsichernd sie zunächst scheinen. Denn die meisten dieser Ängste fußen auf gesellschaftlichen Überzeugungen, die wir unser ganzes Leben, unhinterfragt eingetrichtert bekommen haben. Wir haben nicht gefragt, passt das zu mir und meiner Persönlichkeit, meiner Geschichte, meinen Wünschen - nein, wir haben einfach angenommen, dass "Beziehung eben so und so funktioniert".
Die Stärke, in Beziehungsfragen seinen ganz eigenen Weg zu gehen, kann nur wachsen und gedeihen, wenn wir all diese Ängste, Glaubenssätze im Hinblick auf unsere ganz eigene individuelle Situation und Geschichte hinterfragen und wenn wir nicht bei der ersten oder zweiten Schwierigkeit davon laufen.
Zu wissen, was Du selbst willst, wer Du bist und was Du brauchst, ist extrem wichtig - für Dich selbst und die Beziehung! Insbesondere in einer polyamoren Beziehung, in der so viele Bedürfnisse, Wünsche und Ansprüche aufeinander treffen. Nur wenn wir uns nicht von den Bedürfnissen unserer Partner*innen hin- und herwerfen lassen, können diese die Gelegenheit bekommen, sich mit ihren eigenen Emotionen auseinanderzusetzen. Richten wir uns permanent nach ihnen, besteht dafür gar keine Notwendigkeit, denn wir übernehmen dann die emotionale Arbeit für sie.
Jede Person ist aus Millionen von Puzzleteilen aufgebaut - auch wir selbst. Es ist nicht nur sehr wichtig und interessant diese Teile an Personen zu beachten und zu studieren, die wir als potentielle Partner*innen betrachten, sondern eben auch an uns. Schließlich müssen wir unser ganzes Leben mit uns selbst verbringen und eben auch unsere Partner*innen.
Sich selbst kennen zulernen bedeutet dabei nicht allein herauszufinden, wer man eigentlich ist, sondern eben auch zu einem großen Teil herauszufinden, warum man ist, wie man ist und reagiert, wie man reagiert. Dieses Selbstbewusstsein ( = das Bewusstsein über die eigene Person) ist besonders hilfreich in schwierigen Momenten der Polyamorie.
Wenn wir wissen, was unsere Stärken, Schwächen, Ängste, Triggerpunkte sind, gibt uns dies nicht nur die Möglichkeit unsere eigenen Verhaltens- und Denkmuster zu hinterfragen und vielleicht zu ändern, sondern auch unsere Partner *innen daran teilhaben zu lassen und damit ihr Verständnis zu bekommen.
Vielleicht können sie ihr Verhalten uns gegenüber dann so anpassen, dass wir die Kraft und den Raum bekommen, um an uns zu arbeiten. Wir sind nicht Sklaven unserer emotionalen Reaktionen sondern wir bekommen Einflussmöglichkeiten und geben anderen die Möglichkeit, uns zu verstehen und ggf. zu unterstützen. Die Kenntnis über uns selbst führt dann dazu, dass wir unsere Partner*innen nicht mit einem unbestimmten und unfairen "Mach, dass es mir besser geht!" unter Druck setzen, sondern auf einer verständlichen Grundlage, um ihre Unterstützung bitten.
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Das heißt sich der eigenen persönlichen Grenzen bewusst zu sein, diese zu verteidigen und so auf uns selbst aufzupassen. Natürlich kommt man nicht drumherum, in einer polyamoren Beziehung Kompromisse zu machen und auf Partner*innen und Metamours einzugehen. Aber es ist gefährlich, sich in der Befriedigung der Bedürfnisse aller anderen zu verlieren.
Dies betrifft besonders häufig die Menschen, die mit Partner*innen zusammen sind, die Probleme untereinander haben oder deren Bedürfnisse sich in Teilen widersprechen. Viele haben in so einer Situation ein zerissenes Gefühl, da sie es keinem recht machen können.
Susann Dietzmann
Systemische Therapeutin (SG) & Dipl.Wirt.Psychologin (Fh)
Bernhardstraße 22a
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